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LEISTUNGSINDIKATOREN FÜR DIE VERKEHRSSICHERHEIT


Zusammenfassung

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Die durch Verkehrsunfälle und Verletzte entstehenden Kosten in der Europäischen Union werden auf rund 2 Prozent des Bruttosozialprodukts geschätzt, das entspricht mehr als dem Doppelten des Budgets aller Aktivitäten im Verkehrssektor.

Verkehrssicherheit hat daher eine hohe Priorität in der Gemeinsamen Verkehrspolitik und der Unionsvertrag verlangt ein hohes Schutzniveau für die EU-Bürger bei allen Harmonisierungsaktivitäten.

Diejenigen in Politik und Industrie, die ein höheres Niveau der Verkehrssicherheit anstreben, müssen sich für möglichst viele sicherheitsrelevante Bereiche interessieren, zumindest für diejenigen, die sie beeinflussen oder kontrollieren können.

Leistungsindikatoren für die Verkehrssicherheit geben Politikern ein Instrument in die Hand, mit dem sichergestellt werden kann, dass ihr Handeln möglichst effektiv ist und die beste Nutzung öffentlicher Ressourcen darstellt.

Was sind Leistungsindikatoren für die Verkehrssicherheit?

Diese sind definiert als jegliche Maßzahl, die ursächlich mit Unfällen oder Verletzten verbunden ist und die zusätzlich zur Erfassung der Anzahl von Unfällen oder Verletzten zur Angabe des Niveaus der Verkehrssicherheit bzw. zum besseren Verständnis der Vorgänge, die zu Unfällen führen, verwendet wird.

Es gibt eine große Anzahl von potenziellen Leistungsindikatoren für die Verkehrssicherheit. Nicht alle sind gleichermaßen wichtig. Im allgemeinen kann die Bedeutung eines Leistungsindikators für die Verkehrssicherheit durch das Ausmaß seiner Beziehung zum Unfall- oder Verletzungsgeschehen abgeschätzt werden, ob er eine beträchtliche Bedeutung bei Unfällen hat und durch Maßnahmen bzw. Programme für die Verkehrssicherheit beeinflusst werden kann.

Warum brauchen wir Indikatoren?

Verkehrssicherheit kann über die sozialen Kosten von Unfällen und Verletzungen abgeschätzt werden. Das einfache Zählen von Unfällen und Verletzten kann jedoch nicht als umfassender Indikator für das Niveau der Verkehrssicherheit gelten. Dafür gibt es verschiedenen Gründe:

  • Die Zahl der Unfälle oder Verletzten im Verkehr unterliegt zufälligen Schwankungen. Dies bedeutet, dass eine kurzfristige Veränderung der erhobenen Anzahl nicht notwendigerweise auf eine Veränderung ihrer langfristig zu erwartenden Anzahl hindeutet.
  • Die Erfassung von Unfällen und Verletzten in der amtlichen Straßenunfallstatistik ist unvollständig. Eine beobachtete Veränderung der Unfallzahlen könnte lediglich auf eine veränderte Praxis, Unfälle der Polizei zu melden, zurückzuführen sein.
  • Die Zahl der Unfälle besagt noch nichts über deren Ursache. Ob eine gefährliche Situation oder eine Beinahe-Kollision zu einem Unfall führt oder nicht ist in gewissem Umfang eine Frage des Zufalls. Es ist daher ohne weiteres möglich, dass zwar äußerst riskante Bedingungen herrschen, aber glücklicherweise keine Unfälle auftreten.
  • Um wirksame Maßnahmen zur Verringerung von Unfällen, Toten oder Verletzten zu entwickeln, ist es notwendig, die zu einem Unfall führenden Vorgänge zu verstehen. Hierbei helfen Leistungsindikatoren für die Verkehrssicherheit.

Solche Indikatoren geben ein vollständigeres Bild des Verkehrssicherheitsniveaus und können das Entstehen neuer Probleme zu einem frühen Zeitpunkt aufzeigen, bevor diese Probleme in Form tatsächlicher Unfälle auftreten. Eine regelmäßige Überwachung der Indikatoren verbessert das Verständnis für Trends bei Straßenverkehrsunfällen. Da diese Überwachungsergebnisse deutlich früher verfügbar sind als erfasste Unfälle, sind sie insbesondere für die Politik hilfreich.

Sind die gleichen Indikatoren für alle Verkehrsträger sinnvoll?

In Hinblick auf die gesetzlichen und praktischen Rahmenbedingungen, denen die jeweils betroffenen individuellen Akteure unterliegen, bestehen grundlegende Unterschiede zwischen dem Straßenverkehr und anderen Verkehrsträgern. Obwohl es bei den nicht straßengebundenen Verkehrsträgern, insbesondere im Flugverkehr, eine längere Tradition der Nutzung von Leistungsindikatoren gibt, ist dort die Korrelation mit Unfalldaten nicht so einfach, wie dies im Straßenverkehr der Fall ist. Daher wird in diesem Bericht keine Vereinheitlichung der Leistungsindikatoren für die Sicherheit über alle Verkehrsträger angestrebt. Vielmehr wird sich das jeweils angemessene Paket von Indikatoren von einem zum anderen Verkehrsträger unterscheiden.

Mit rund 90 Prozent aller Verkehrstoten stellt der Straßenverkehr in allen europäischen Staaten das bei weitem größte Verkehrssicherheitsproblem dar und bildet daher den Schwerpunkt in diesem Bericht, obwohl auch andere Verkehrsträger beleuchtet werden.

Dieser Bericht betrachtet “best practice” Beispiele bei der Anwendung von Leistungsindikatoren für die Sicherheit des Straßenverkehrs und gibt Empfehlungen für die Nutzung solcher Indikatoren als integraler Bestandteil von Verkehrssicherheitsprogrammen auf EU- und einzelstaatlicher Ebene.

Die Rolle von Sicherheitsindikatoren in Sicherheitsprogrammen

Dieses Modell zeigt die Rolle von Leistungsindikatoren für die Verkehrssicherheit in einem breiteren Zusammenhang auf und dient gleichzeitig als Instrument zur Erkennung wichtiger Leistungsindikatoren.

(Zielgerichtete) Sicherheitsprogramme

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Umgesetzte Sicherheitsmaßnahmen

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Betriebsbedingungen des Verkehrs (Leistungsindikatoren)

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Folgen der Betriebsbedingungen (Unfälle) - soziale Kosten

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Sicherheitsziele (politische Intentionen)


Im Rahmen zielgerichteter Sicherheitsprogramme entsteht ein Paket an umzusetzenden Sicherheitsmaßnahmen, aus denen bestimmte Betriebsbedingungen des Verkehrs resultieren, die zusätzlich von einer großen Anzahl ökologischer und sozialer Faktoren beeinflusst werden. Der Begriff „Betriebsbedingungen“ beinhaltet Maßzahlen für das Verkehrsverhalten und die technischen Bedingungen sowie die Qualität der Infrastruktur und der Fahrzeuge. Die Betriebsbedingungen führen zu einer bestimmten Unfallrate und Anzahl von Toten, bei der üblicherweise der unterschiedliche Schweregrad der Unfälle berücksichtigt wird. Diese Zahlen werden mit Sicherheitszielen verglichen, um die Fortschritte bei deren Erreichung zu kontrollieren.

Leistungsindikatoren für die Sicherheit im Straßenverkehr

Die verhaltensorientierten Leistungsindikatoren für die Sicherheit im Straßenverkehr – das Geschwindigkeitsniveau, der Anteil der Fahrten unter Alkoholeinfluss oder die Gurtnutzung – gehören zu den am häufigsten verwendeten. Zusätzlich ist eine Anzahl von infrastruktur-, fahrzeug- und verletzungsbezogenen Indikatoren von Bedeutung. Diese ergeben ein direktes Mittel zur Kontrolle der Auswirkung einer Maßnahme oder eines Programms und ermöglichen eine frühzeitige, zielorientierte Justierung spezifischer Eingriffe. Außerdem erlauben sie ein detaillierteres Verständnis der Ursachen von Sicherheitsproblemen als dies durch alleinige Betrachtung der Unfallhäufigkeit möglich ist.

Einige EU-Mitgliedstaaten – vorwiegend jene, die bei der Verringerung von Verkehrstoten am besten abgeschnitten haben – konnten zeigen, wie Leistungsindikatoren für die Sicherheit im Rahmen von zielgerichteten Sicherheitsprogrammen wirkungsvoll zu nutzen sind. Einige Länder haben sogar bestimmte Verhaltenseigenschaften als konkrete Ziele in ihren nationalen Sicherheitsprogrammen ausgewiesen, neben den klassischen Zielen, wie z.B. die Verringerung von Verkehrstoten. Das Arbeiten mit Leistungsindikatoren ermöglicht den verantwortlichen Behörden ein besseres Verstehen der Auswirkungen ihrer Politik. Die Erfahrungen in einigen EU-Staaten zeigen, dass Behörden, die Leistungsindikatoren nutzen, sich stärker bei ihrer Arbeit engagieren, wenn ihnen regelmäßig Angaben zu den Leistungsindikatoren zugehen.

Leistungsindikatoren für Seefahrt, Bahn und Luftfahrt

In den Sektoren Seefahrt, Eisenbahn und Luftfahrt haben Fragen der Sicherheit eine starke Tradition, die auf Regulierung (ursprünglich nur auf nationaler Ebene, heute im wachsenden Umfang paneuropäisch und international) sowie der Überprüfungen der Einhaltung von Vorschriften basiert. Die zugrundeliegende Überlegung lautet: Je besser die Befolgung der Regeln, desto höher die Sicherheit. Sicherheit ist bei diesen Verkehrsträgern ein wichtiges Gestaltungskriterium. Die genannten Sektoren sind jedoch so organisiert, dass dem Zusammenwirken der vielen unabhängigen Akteure, sowohl aus dem staatlichen als auch aus dem privaten Bereich, eine bedeutende Rolle bei der Erreichung eines hohen Sicherheitsniveaus zukommt.

Prüf- und Untersuchungsberichte von staatlich beauftragten Institutionen können bei diesen Verkehrsträgern als das Rückgrat der Sicherheit angesehen werden. In solchen Berichten spielen Zwischenfälle und Unfälle eine wichtige Rolle. Es ist bei diesen Verkehrsträgern ein wachsendes Interesse erkennbar, die bestehenden Verfahren zur Erhöhung der Sicherheit aufzuwerten. Leistungsindikatoren für die Sicherheit sind in dieser Hinsicht eine vielversprechende Entwicklung. Beispiele für erste Schritte zur Erarbeitung von Leistungsindikatoren sind in den Bereichen Seefahrt, Luftfahrt und Eisenbahn deutlich zu erkennen, obwohl diese Ansätze nur Teile des gesamten Sektors betreffen. Die Nutzung von Leistungsindikatoren für die Sicherheit erlaubt Vergleiche sowohl innerhalb eines Sektors als auch zwischen den Sektoren. Dies ist bei der Verbesserung des Sicherheitsniveaus eine nützliche Hilfe, durch besseres Verstehen der Unfallursachen sowie durch transparenteres und rationaleres Treffen von Entscheidungen.

Empfehlungen

Jahrzehntelang war der Ansatz, Indikatoren für die dauerhafte Überwachung und Analyse von Prozessen zu nutzen, tägliche Praxis im industriellen Qualitätsmanagement. Verkehrssicherheitsexperten sollte dieses einfache und robuste Konzept weiter ausschöpfen. Einmal für alle Verkehrsträger eingeführt, wird die Anwendung von Leistungsindikatoren für die Sicherheit die Bemühungen um mehr Sicherheit weiter beflügeln und damit die Unfallraten in ganz Europa senken.

Die Europäische Kommission sollte die Mitgliedstaaten auffordern, sich auf ein wissenschaftlich begründetes Paket von Sicherheitsindikatoren für alle Verkehrsträger zu einigen und jene regelmäßig zu erfassen. Gleichzeitig sollten Empfehlungen für harmonisierte Stichproben und Anwendungsmethoden gegeben werden. Empfohlen wird, die Einsetzung von Leistungsindikatoren für die Sicherheit schrittweise und systematisch aufzubauen und regelmäßig zu überprüfen.

Beim Straßenverkehr sind die relevanten Verhaltensindikatoren – Geschwindigkeitsniveau, Fahrten unter Alkoholeinfluss, Nutzung von Sicherheitsgurt und Helm - ein natürlicher Ansatzpunkt. Deren Vergleichbarkeit über Zeitreihen und zwischen den einzelnen Ländern ist dabei von äußerster Bedeutung. Später sollten Qualitätsindikatoren wie das Straßennetz, Fahrzeugflotten und Rettungsdienste hinzukommen. Aus der Vereinheitlichung der Erhebungsmethoden und der Erweiterung der Liste von regelmäßig erhobenen Indikatoren sollte sich ein beträchtlicher Vorteil ergeben. Anfänglich wird dies in denjenigen Mitgliedstaaten, die bisher keine Sicherheitsindikatoren erheben sowie in den Beitrittskandidatenländern am leichtesten erreichbar sein.

Ausgehend von dem oben gesagten empfiehlt das ETSC der EU:

  • Die Erstellung und Spezifizierung eines Paketes relevanter Leistungsindikatoren für die Sicherheit (safety performance indicators, SPI) zur Anwendung auf europäischer und nationaler Ebene als Mittel zur Abschätzung von Trends im Sicherheitsniveau und des Erfolgs von Programmen zur Verringerung von Unfallopfern;
  • Zu diesem Zweck die Einberufung einer Arbeitsgruppe der „High Level Group on Road Safety“, bestehend aus Straßenverkehrssicherheitsexperten und Vertretern der Mitgliedstaaten, zur Beratung der im Bericht „Transport Safety Performance Indicators“ des ETSC empfohlenen Liste von „best practice SPI“, d.h. Verhaltensindikatoren betreffend Geschwindigkeit, Alkohol, Rückhaltesysteme und Sicherheitsvorrichtungen sowie SPI im Bereich des Qualitätsmanagements, Straßennetz, Fahrzeugflotte und Rettungsdienste;
  • Die Unterstützung von Machbarkeits- und Pilotstudien zur Sammlung und Anwendung von SPI auf der Ebene der Mitgliedstaaten;
  • Die Aufforderung an die Mitgliedstaaten, auf der Basis der obigen Studien SPI regelmäßig und in harmonisierter Weise zu erfassen, sowie die Bestärkung, die kontinuierliche Überwachung der Sicherheit zu einem integralen Bestandteil ihrer nationalen Sicherheitsstrategien zu machen;
  • Die Unterstützung der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Datenerfassung und die Überwachungsmethoden (wie z.B. Stichprobenhäufigkeit, Stichprobengröße und -zeit, Messprotokolle) ebenso wie bei der Datenverwaltung und -zusammenführung, um harmonisierte Sätze von SPI, die auf europäischer Ebene über die Zeit und zwischen den Ländern vergleichbar sind, zu generieren; die Empfehlung, dass unabhängige Institutionen SPI-Daten erfassen;
  • Die Hilfe bei der Verbreitung der gegenwärtigen “best practice” Methoden der Erfassung und Nutzung von Leistungsindikatoren für die Sicherheit in allen Mitgliedstaaten; sowie das Verfügbarmachen jährlicher Ergebnisse und Trends in statistischen Veröffentlichungen und über elektronische Medien wie das Internet und das zukünftige Straßensicherheits-Informationssystem der Kommission;
  • Die Aufforderung an die Mitgliedstaaten, der Kommission regelmäßig einen vereinbarten Satz nationaler SPI-Daten für die internationale Kommunikation zu liefern, beispielsweise für den “Straßensicherheits-Schnellindikator” der Kommission oder die Datenbank CARE;
  • Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten während der Konsultationen über das nächste Aktionsprogramm über ein gemeinsames Paket relevanter SPI und die Umsetzung quantifizierter Ziele für SPI im Rahmen dieses Programms;
  • Die Aufnahme der Aufgabe in das 6. F&E-Rahmenprogramm, bezüglich der Durchführung und des Vergleichens integrierter Sicherheitsmanagementprogramme unter besonderer Berücksichtigung der Ursachenbeziehung zwischen Leistungsindikatoren für die Verkehrssicherheit und Unfällen bzw. Verletzungen weitere Forschungsanstrengungen zu unternehmen;
  • Für die anderen Verkehrsträger besteht die Notwendigkeit der Entwicklung eines Paketes von umfassenden Leistungsindikatoren, die den gesamten Sektor abdecken sowie diese Informationen zur Verbesserung der Sicherheit sowie für eine transparentere und rationalere Entscheidungsfindung zu nutzen. Dies erfordert ein allgemein akzeptiertes Modell darüber, wie Unfälle entstehen und wie sie wirksam und effizient verhindert werden können. Es wird empfohlen, solch ein Modell zu entwickeln und daraus Leistungsindikatoren abzuleiten.

Der zusätzliche Nutzen für die Europäische Union besteht in einem harmonisierten und umfassenden System von Leistungsindikatoren für die Verkehrssicherheit, das der EU erlaubt, diese Daten für ihre eigene Politik zu nutzen und den Mitgliedstaaten die Möglichkeit gibt, ihre eigenen Leistungen zu reflektieren.